11.09.2025
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei richtet. Die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig.
Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, habe nicht substantiiert vorgetragen, den Rechtsweg erschöpft zu haben. Nichtsdestotrotz betont das BVerfG in dem Beschluss aber, dass die Durchsuchungsanordnung und die Entscheidung über die Beschwerde den strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsuchung bei Rechtsanwälten nicht gerecht werden dürften.
Die Staatsanwaltschaft führte gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Prozessbetrugs. Hintergrund war ein zivilrechtlicher Honorarstreit zwischen dem Anwalt und einer ehemaligen Mandantin, die ihn angezeigt hatte. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren zunächst ein, wogegen die Anzeigende Beschwerde einlegte. Im Rahmen der Beschwerde legte sie unter anderem eine E-Mail der ehemaligen Bürokraft eines Mitbeschuldigten vor. In dieser E-Mail belastete die Zeugin den Beschwerdeführer. Die Staatsanwaltschaft nahm daraufhin das Verfahren wieder auf. In der polizeilichen Vernehmung belastete die Zeugin wiederum den Beschwerdeführer und den Mitbeschuldigten; inhaltlich schilderte sie aber einen anderen Ablauf als noch in der E-Mail.
Das Amtsgericht erließ den angegriffenen Durchsuchungsbeschluss für die Räume der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführers. Bei Erlass war der zivilrechtliche Honorarstreit noch anhängig. Die Akten des Zivilverfahrens wurden nicht beigezogen. Der Durchsuchungsbeschluss wurde vollstreckt und dabei unter anderem ein Computer des Beschwerdeführers sichergestellt. Die Beschwerde des Anwalts gegen den Durchsuchungsbeschluss verwarf das Landgericht als unbegründet.
Der Anwalt rief das BVerfG an. Dieses erachtete die Verfassungsbeschwerde für unzulässig. Der Beschwerdeführer trage nicht substantiiert vor, eine Gehörsrüge erhoben und damit den Rechtsweg erschöpft zu haben.
Aufgrund der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde komme es nicht mehr darauf an, dass die Durchsuchungsanordnung und die Entscheidung über die Beschwerde den strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsuchung bei Rechtsanwälten bei einer Gesamtabwägung nicht gerecht werden dürften.
So sei der dem Beschwerdeführer vorgeworfene versuchte (Prozess-)Betrug keine Straftat von erheblicher Bedeutung, führt das BVerfG aus. Der Tatverdacht sei weiterhin aufgrund der aktenkundigen Widersprüche zwischen E-Mail und polizeilicher Vernehmung der Zeugin zumindest schwach. Das gelte insbesondere für die nach Aktenlage aufgrund der jeweiligen Motivlage eher fragliche Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugin und der Anzeigenden.
Die Auffindevermutung sei eher gering. Ihre Schwäche beruhe insbesondere auf der Kenntnis des Beschwerdeführers von den wiederaufgenommenen Ermittlungen und der Tatsache, dass er diese Kenntnis gegenüber der Staatsanwaltschaft mit seinem Akteneinsichtsantrag sogar offenlegte und daher eine Durchsuchung zumindest für möglich halten durfte.
Zu berücksichtigen sei schließlich die besondere Eingriffsintensität einer Durchsuchung von Kanzleiräumen eines Rechtsanwalts, betont das BVerfG.
Diese ergebe sich daraus, dass die strafprozessuale Maßnahme wegen der Vielzahl verfahrensunerheblicher Daten in den durchsuchten Kanzleiräumen eine Streubreite aufweist und daher zahlreiche Personen in den Wirkungsbereich der Maßnahme mit einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu dem Tatvorwurf stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben. Hinzu komme die besondere Schutzbedürftigkeit der von einem überschießenden Datenzugriff mitbetroffenen Vertrauensverhältnisse.
Die hier sehr weit formulierte Durchsuchungsanordnung habe potentiell auch verfahrensunerhebliche Daten und Betroffene erfasst. Das gilt laut BVerfG insbesondere, weil eine Abwendungsbefugnis ausdrücklich mit der Begründung ausgeschlossen wurde, dass sich nur aus der Gesamtschau der Unterlagen Erkenntnisse erwarten ließen. Es sollte also offenbar auch nach Unterlagen außerhalb der mandatsbezogenen Verfahrensakte des Beschwerdeführers zur Anzeigenden gesucht werden.
Die besondere Rolle des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt spricht für das BVerfG im Ergebnis entscheidend gegen ein angemessenes Verhältnis aus staatlicher Eingriffsmaßnahme zur Wahrheitsermittlung und Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21.07.2025, 1 BvR 398/24