16.10.2025
Wer als Angehöriger des kriminellen Milieus bei einer Schlägerei angeschossen wird, hat keinen Anspruch auf staatliche Opferentschädigung. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden.
Ein damals 33 Jahre alter Mann suchte im Jahr 2012 in Berlin einen Gebrauchtwagenhändler auf, zu dem er Geschäftsbeziehungen unterhielt. Dort kam es zu einer Auseinandersetzung. Der Streit eskalierte und mündete in eine Schlägerei zwischen zwei Gruppen von jeweils vier bis fünf Personen. Zunächst kamen ein Baseballschläger und eine Eisenstange zum Einsatz, am Ende fielen Schüsse aus einer Pistole. Mehrere Personen wurden verletzt. Der Mann erlitt eine Schusswunde am Oberschenkel.
Im Jahr 2017 beantragte er eine Beschädigtenversorgung nach dem damals geltenden Opferentschädigungsgesetz, weil er aufgrund der Schussverletzung unter verschiedenen körperlichen und psychischen Beschwerden leide. Damit blieb er sowohl bei der zuständigen Behörde als auch vor dem Sozialgericht ohne Erfolg. Seine dagegen gerichtete Berufung hat das LSG zurückgewiesen.
Der Kläger sei zwar Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden, stellte das Gericht fest. Die Gewährung einer Entschädigung hielt es aber für unbillig. Eine Unbilligkeit sei regelmäßig anzunehmen, wenn sich das Opfer des Angriffs durch eine im Vorfeld der Tat liegende rechtsfeindliche Betätigung selbst außerhalb der staatlichen Gemeinschaft gestellt habe. Wer sich als Zuhälter, Rauschgifthändler oder sonst in krimineller Weise betätige und Opfer der in diesen Milieus herrschenden Rivalitäten werde, solle keinen Anspruch auf eine Versorgung aus öffentlichen Mitteln haben.
Zur Überzeugung des LSG gehörte der Verletzte einem solchen kriminellen Milieu an; der Angriff im Jahr 2012 habe in Zusammenhang mit seinen "rechtsfeindlichen Aktivitäten" gestanden. Insoweit stützte sich das Gericht auf verschiedene Umstände. Unter anderem seien der Kläger und andere an der Auseinandersetzung beteiligte Personen bereits polizeibekannt gewesen. Bei der Aufklärung des Angriffs habe er zudem nicht mitgewirkt. Stattdessen habe er – wie eine Telefonüberwachung ergeben habe – versucht, die Angelegenheit auf eigene Faust zu regeln. Dies sei ebenso milieutypisch wie die Tat selbst. Bei seiner polizeilichen Vernehmung habe er außerdem erklärt, er könne sich nicht vorstellen, dass ein Auftragskiller auf ihn angesetzt gewesen sei. Bei diesen Ausführungen habe er ein "szenetypisches Fachwissen" an den Tag gelegt.
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 08.05.2025, L 4 VE 4/24, rechtskräftig